Daten
Hauptstadt
Fläche
Einwohner
Bevölkerungsdichte
BIP pro Einwohner
HDI
Währung
Unabhängigkeit
Lebenserwartung
Alphabetisierungsrate
HIV/AIDS (19-49 Jahre)
Sofia
110.910 km² (111.)
7.204.687 (99.)
70 pro km²
6.856 US-Dollar (70.)
0,824 (53.)
Lew
03.03.1878
72 Jahre
99 %
0,1 %
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Bulgarien
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Das kyrillische Alphabet, benannt nach Kyrill von Saloniki, entstandt Mitte des 10. Jahrhunderts in Ostbulgarien am Hofe des Zaren von Preslaw. Und nicht wie sicher viele vermuten in Russland. Es wird von vielen slawischen Staaten in Europa und Asien verwendet.
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>>> Impressionen von Bulgarien <<<
Bulgarien ist seit dem 01. Januar 2007 Mitglied in der Europäischen Union.
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Erneut legen wir eine Strecke mit dem Nachtbus zurück. Wir steigen am Abend in Istanbul ein und erreichen am nächsten Morgen Sofia. Doch dieses Mal soll die Busfahrt nicht ganz so reibungslos verlaufen, denn zwischen diesen Städten liegt ein Grenzübergang. Nachdem wir in der Türkei den Reisepass ausgestempelt haben, stoppt der Bus plötzlich im autonomen Grenzstreifen und hier wird jetzt tüchtig zollfrei eingekauft... und zwar in Eurowährung. Wir sind irritiert, hat doch weder die Türkei noch Bulgarien den Euro als Währung?! Uns entgeht nicht, dass sowohl Passanten wie auch beide Busfahrer Zigaretten im Übermass einkaufen und diese Ware soll nun im Bus versteckt werden. Die Dame vor uns ist emsig damit beschäftigt, die "Stangen" zu öffnen und die einzelnen Zigarettenpackungen in Handtasche, zwischen Hemden und weiteren Plastiktüten aufzuteilen und in den Ablagefächern zu verstecken. Jeder Handgriff sitzt und man merkt, dass sie Übung darin hat?! Wir passen noch auf, dass diese Tütchen nicht über den Fussboden in unser Revier gelangen, denn in diesen Schmuggel wollen wir nicht reingerissen werden...!

Als wir dann auf bulgarischer Seite ankommen und zur Passkontrolle aussteigen, vollziehen die Grenzbeamten eine kurze Routinekontrolle, scheinen aber Lunte gerochen zu haben, denn nachdem wir wieder in den Bus gestiegen sind, fahren wir in eine der Kontrollhallen. Es reicht nicht aus, dass wir Passanten wieder aussteigen, jeder muss noch seine schweren Koffer aus dem Bus hiefen, denn alles wird untersucht! Amüsiert beobachten wir, wie die Beamten viele Zigarettenstangen zum Vorschein bringen und zwar nicht nur aus den Ablageflächern, sondern auch aus Verstecken, die logischerweise keinem Passanten zugänglich sind... ihr kleinen Gauner!
Ein Busfahrer muss zum Rapport und wir fragen uns, was wohl mit den Zigarettenstangen geschieht? Werden diese deklariert oder verkaufen die Grenzbeamten diese privat weiter? Wir tippen auf zweiteres, muss doch in einem korrupten Land jeder mitnehmen, was er bekommen kann. Die bulgarische Regierung gilt als die Korrupteste in Europa. Es wurden sogar schon EU Fördergelder eingefroren, und das will schon was heissen bei der "Entscheidungsfreudigkeit" des EU-Parlaments.
Gegen zwei Uhr nachts kann die Fahrt dann endlich weitergehen.

In Sofia angekommen wachen wir wie gerädert auf, hiefen Drahtesel und Packtaschen aus dem Bus und ein Espresso lässt uns wieder am Leben teilnehmen.
Wir fragen uns nach dem Weg Richtung Serbien durch und der nette Herr spricht fliessend deutsch. Entschuldigend meint er, er hätte schon viele Vokabeln vergessen, schliesslich sei es sein Schuldeutsch.
Wir entscheiden uns für die Variante über die Berge. Die Strasse ist mehr schlecht als recht und wir müssen durch die kleineren Schlaglöcher fahren, um den grösseren auszuweichen!
Gegen Abend kommen wir durch ein kleines Bergdorf. Viele Häuser sind verlassen und heruntergekommen, am Strassenrand wird Eingemachtes und die letzten schrumpeligen Äpfel aus dem Herbst zum Verkauf angeboten und wir sehen so gut wie keine jungen Leute. Es fehlt das Lachen und Spielen der Kinder auf der Strasse. Übrig geblieben sind die Alten. Die Landflucht der jungen Generation ist nicht zu übersehen. Diese trübsinnige, abgelebte Stimmung wird noch verstärkt, als wir die Todesanzeigen an Gartentoren, Eingangstüren und Strassenpfeilern sehen. Ganze Bushaltehäuschen sind mit Traueranzeigen beklebt, und wenn wir am Brunnen unsere Trinkwasserflaschen auffüllen und uns einer Katzenwäsche unterziehen, blicken wir wieder auf Verstorbene. Eine Tradition der Orthodoxen Kirche, wie wir später erfahren. Beim genauen Studieren der kyrillischen Schrift erkennen wir, dass viele junge Menschen verstorben sind?! Ein Rätsel, dass ungelöst bleibt.


Der Frühling grünt und blüht, die Störche sind zurück, Schwalben flitzen durch die Luft und der Kuckuck ruft aus dem Wald. Wir finden immer ein lauschiges Plätzchen in Wald und Flur, schlafen bei Vogelgezwitscher ein und wachen am nächsten Morgen vom Pfeiffen und Singen wieder auf. Die Natur in Bulgarien ist klasse, wird allerdings häufiger durch unachtsame, private Müllentsorgungen in den Strassengraben verschandet. Oben auf dem Pass liegen noch die letzten Boten vom Winter. Na klar müssen wir erstmal mit unseren Sandalen in den Schnee stapfen! Ist es doch unser erster in diesem Jahr!
Neben brandneuen Mercedes - Modellen begegnen wir auf den Strassen den fast antiken Ladas aus der Ostblockzeit und Mulikarren mit hölzernen Wagenrädern. Die Menschen lieben ihre Trainingshose und sind eher zurückhaltend, doch wenn wir sie mit einem Handwinken und "Sdrasti" grüssen, bekommen wir garantiert einen lächelnden Gruss zurück und viele ältere Menschen haben kaum noch einen Zahn im Mund.
Ein paradoxes Bild ergibt sich, als wir an einem Feld vorbeiradeln, auf dem etwa 20 Männer und Frauen mit Pferd, Flug und Hacke den Acker bearbeiten und auf der gegenüberliegenden Strassenseite eine nigelnagelneue Tankstelle fertiggestellt wurde, wo gerade ein funkelnder Sportwagen hält. Eine tiefe Kluft zwischen arm und reich erleben wir hier.

In einer Kleinstadt möchten wir unseren Hunger stillen und halten an einem Kiosk. Ich stecke meinen Kopf durch die kleine Öffnung und entdecke neben Kaffemaschiene und Kühlschrank noch einen kleinen Ofen in dem Pizza gebacken wird. Das ist ja Spitze! Die Kioskdame redet auf bulgarisch auf mich ein. Ich verstehe schon, dass es um den Pizzabelag geht, habe aber keine Ahnung von welchen Zutaten sie spricht und nicke nur. Nach dem Motto alles rauf auf die Pizza, es wird schon schmecken. Der Kühlschrank wird geöffnet, ich meine noch optimistisch zu Alexander, dass jetzt das Gemüse kommt. Doch weit gefehlt. Neben Ketchup wird der Boden mit Käse und Bockwurststücken garniert. Nicht lecker aber macht satt unsere "original bulgarische Bockwurschtpizza"!

In einem kleinen Dorfladen decken wir uns mit Proviant ein und machen Bekanntschaft mit dem Kopfschütteln. Eigentlich ist die Körpersprache ja weltweit gleich, dachten wir zumindest. Aber in Bulgarien bedeutet ein Kopfschütteln "Ja" und ein Nicken "Nein", also genau andersherum als wir es kennen. So kommt es zu einem Missverständnis als Alexander zahlt und der Verkäufer zufrieden den Kopf schüttelt. Alexander ist irritiert, kontrolliert den Warenwert und dann das abgezählte Geld, schaut den Verkäufer fragend an, und als dieser erneut den Kopf schüttelt, fällt der Groschen bei ihm: Ach ja, hier ist es genau andersherum!

Wir wurden schon von anderen Radreisenden vor den Hundeangriffen in Osteuropa gewarnt. Einige statten sich mit Pfefferspray aus, andere haben Stöcke dabei oder es wird mit Steinen nach den grossen Biestern geworfen, die ausdauernd neben den Radlern herlaufen und nach den Füssen schnappen. Unsere Tollwutimpfung hat schon ein Jahr auf dem Buckel und somit eventuell nicht mehr die volle Wirkkraft... was uns etwas Sorge bereitet.
Wir wählen folgende Taktik: wenn ein Hund oder ein Rudel von weitem bellt, rufen wir doppelt so laut zurück. Wäre doch gelacht, wenn wir den Ton nicht angeben könnten. Unsere Rechnung geht auf, die Tiere bleiben auf Distanz... nur unsere Stimmbänder leiden ein wenig.
Wenn wir direkt an den Hunden vorbei müssen, weil sie am Strassenrand Schafe hüten oder Haus und Hof bewachen und unser Brüllen sie nicht davon abhält, neben uns herzulaufen, steigen wir einfach vom Rad und weisen die Tiere deutlich zurecht. Was auch super klappt, denn schliesslich sind es nur Tiere und keine Bestien. Manchmal haben wir sogar Glück und der Besitzer kommt angelaufen und pfeifft seinen Hund zurück, was natürlich die beste Lösung für uns ist.
Irgendwie erinnert uns das ganze an den Strassenkampf mit den Steine werfenden Kindern in Äthiopien... doch an die Zeiten möchten wir uns lieber nicht erinnern, dann dreht sich nämlich unser Magen um!!!!


Nach einer erholsamen Nacht in einem Wäldchen und frisch gestärkt mit einem grossen Napf voll Haferflocken, Obst und Joghurt schieben wir am Morgen unsere Räder auf den Feldweg. Da kommt die Polizei auf der Landstrasse angebraust und muss erstmal für Ordnung sorgen. Mit ernster Miene steigt der Beamte aus dem Lada: "Kontrolle". Da wir weder Führerschein noch Warndreieck dabei haben, tippen wir auf unsere Reisepässe. Diese werden dann genauestens unter die Lupe genommen. Von vorn nach hinten werden alle Ein- und Ausreisestempel studiert und dann wieder von hinten nach vorne. Mit dem Ergebnis ist der Polizist nicht zufrieden, denn da Bulgarien mittlerweile auch in der EU ist, gab es bei der Einreise keinen Stempel mehr und dieses sorgt nun für Verwirrung.

Dass Bulgarien EU-Mitglied ist, kann dem Beamten aber nicht entgangen sein, schliesslich hängt in jeder grösseren Ortschaft neben der bulgarischen Fahne die EU-Flagge, ob aus Freude, Erstaunen oder der Hoffnung auf die bessere Zukunft bleibt ungeklärt.
Alexander und ich amüsieren uns köstlich, können uns ein Grinsen aber gerade noch verkneifen, denn Personen in Uniform sollte man wichtig nehmen, wenn sie sich selber auch wichtig nehmen... und am längeren Hebel sitzen. Naja, auf jeden Fall steigt er mit den Pässen zu seinem Kollegen in den Lada, die beiden Herren beratschlagen sich und dann lassen sie uns an diesem trübsinnigen, nebligen Tag weiterziehen, der für uns allerdings sehr lustig begann.
Wir radeln zur serbischen Grenze und nehmen am nächsten Morgen den Bus nach Belgrad. Danach sollten wir wohl die verbleibenden Kilometer nach Hause radeln können.
Willkommen in Osteuropa